Herr Leirich  Epheser 5, 1-8a

 
 

Liebe Gemeinde,
Sie haben sich am Sonntagmorgen zum Gottesdienst aufgemacht … Und was bekommen sie zu hören?
Starke Worte hören Sie! Worte, die Sie vor Unzucht, Unreinheit und Habgier zurückhalten wollen. Solche drastischen Mahnungen mögen ja damals notwendig gewesen sein. Damals, als bei einigen Christen anscheinend die primitivsten Regeln von Anstand und Moral unbekannt waren. Damals eben!
Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass es in diesen Sätzen weniger um unmoralisches Tun als vielmehr um unmoralisches Reden geht. Nicht was Menschen an Unzucht und schmutzigen Geschäften betreiben, steht zur Debatte, sondern wie darüber gesprochen wird. Und da sind wir natürlich mit von der Partie - oder nicht?
Und legen vielleicht sogar Wert darauf. Lebt denn eine Demokratie nicht geradezu davon, dass Missstände beim
Namen genannt und angeprangert werden? Natürlich tut sie das. Aber hier geht es nicht um diese Form von Kritik.
Hier geht es um das Gerede, in dem wir über das sprechen, was in der Welt und um uns herum vorgeht.
Neudeutsch würde man sagen: Smalltalk. Smalltalk, das Alltagsgespräch (so heißt es in einem Lexikon) - wir brauchen es für Gelegenheitskontakte mit Menschen, die wir nur flüchtig kennen. Und wenn wir dabei über das Wetter hinaus sind, kommen wir auf das zu sprechen, was aufgrund der Nachrichtenlage in aller Munde ist.
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Meistens ist das etwas, worüber sich alle empören. Und wenn wir das miteinander tun, erleben wir wohltuende Einigkeit am
Schluss: Ja - schlimm ist diese Welt, in der wir leben. Und - schade, dass nicht alle so nett und so anständig sind wie wir.
Und vor genau solchem Gerede werden wir hier gewarnt. Denn mag es auch harmlos erscheinen, weil doch alles so small und so unverbindlich bleibt: gefährlich ist solches Reden, gemeingefährlich, weil es beim Reden eben nicht bleibt.
Wir schaffen mit ihm ein Klima, eine Atmosphäre, in der das Böse an Bedeutung gewinnt und damit leichter weiterwirken kann. Und damit machen wir uns unbewusst zu Komplizen dessen, was wir beklagen und verurteilen.
Ich möchte es an einem Beispiel aus dem Predigttext zeigen, nämlich an dem Gerede über Unmoral, unsaubere Geschäfte und Habgier:
Wie schnell sind auch wir dabei, mit anderen den Kopf zu schütteln, wenn da wieder eine Ehe in die Brüche gegangen ist oder dort ein Prominenter sich eine neue Partnerin zugelegt hat. Und schnell sind wir uns einig: Ja - es ist eine hemmungslose
Spaßgesellschaft. Jeder meint, seine Bedürfnisse ausleben zu können, Verantwortung und Rücksichtnahme sind unter die Räder geraten. Ich betone es nochmals: Gemeingefährlich ist solches Gerede, weil es den Eindruck entstehen lässt: dies ist eine unausweichliche Entwicklung. Und das führt dann auf Dauer dazu, dass die Menschen sich auch entsprechend verhalten.
Unausweichlich aber ist nur eins: Sitte und Moral ändern sich und das Tempo dieser Veränderung nimmt zu. Aber dieser Wandel ist nicht automatisch auch ein Niedergang und Zerfall von Menschlichkeit und Liebesfähigkeit.
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Gibt es nicht auch viel zu erzählen
° von Jugendlichen, die bei allem Spaß am Leben großen Wert auf Treue und Zusammenhalt legen;
° von Partnern, die trotz einer Trennung die Verantwortung für die Kinder gemeinsam wahrnehmen;
Die gehören genauso zu unserer Gesellschaft wie der Promi, der nur auf seinen Spaß aus zu sein scheint und völlig zu Unrecht zum Eckpfeiler einer Gesellschaft hochgeredet wird, die nichts als Spaß zu kennen scheint.
Oder wem nutzt das Gerede und Geklage über Politik. Politik sei nur schmutziges Geschäft und die, die es betreiben, haben nichts anderes im Kopf, als die eigenen Wahlchancen zu verbessern. Sicher kennen Sie lebende Beispiele.
Und dennoch: ein unausweichliches Gesetz, dass Politik den Charakter verdirbt, lässt sich daraus nicht ableiten. Wer Politiker nur etwas kennt - und die sitzen ja nicht nur in Berlin, sondern auch bei uns im Stadtrat - der könnte auch ganz anders reden:
° von mühevoller und zeitraubender Kleinarbeit für Menschen im Verborgenen, wofür es weder Geld noch Stimmen gibt;
° von Zivilcourage, Dinge anzusprechen und anzupacken, die nicht nur populär sind.
Oder wem ist gedient mit dem Gerede und Geklage über die Ellenbogen-Gesellschaft, in der keiner den Hals voll genug kriegt und soziale Kälte sich ausbreitet?
Es stimmt: es ist besorgniserregend, wie Rahmenbedingungen den Sozialstaat auf Menschen konzentrieren, die arbeitsfähig sind.
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Doch damit ist lange nicht beschlossen, dass die Menschen in unserem Land sich das gefallen lassen. Dass Behinderte, chronisch Kranke, nicht mehr Vermittelbare und Pflegebedürftige an den Rand gedrängt oder dem ausschließlichen Wohlwollen ihrer Angehörigen überlassen werden. Sie allen haben immerhin ein Grundgesetz für sich mit Grundrechten, die nicht außer Kraft gesetzt werden können, und die nur dann an Geltung verlieren, wenn nur mehr ihren Gegnern das Wort geredet wird.
Und wir als Christen wissen, was eine Gesellschaft hat an denen, die materiell mehr brauchen als sie geben können, und setzen uns tatkräftig für sie ein, weil wir auf keinen von ihnen verzichten wollen. Das alles darf nicht länger small getalkt werden. Und wo es geschieht, gilt es zu widersprechen um derer willen, die das nicht verdient haben.
Zwei Bilder umrahmen die Mahnungen vor schlecht- und kleinmachendem Geschwätz.
Am Anfang werden wir aufgefordert, den Wohlgeruch, der mit Jesus Christus in die Welt gekommen ist, zu verbreiten. Einen Duft von Frische, voller Lebensfreude, wo sonst Müdigkeit und Griesgram herrschten; einen Duft, der wie frisches Brot die Sinne weckt und Lust macht auf Leben.
Christen geben diesem Duft Raum, atmen durch und öffnen die Fenster, damit auch andere daran teilhaben können.
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Am Ende steht das Bild vom Licht. Denn mit Jesus ist ein Licht in die Welt gekommen, an wir uns orientieren und wärmen können. Christen leben damit nicht länger in der Dunkelheit, verbiestert und desorientiert.
Folgen wir diesem Geist, diesem Licht, das alle Menschen als Gottes Kinder zeigt.
Es weist uns den Weg in eine Welt weist, in der wirklich alles gut wird.