Liebe Gemeinde !
1.Der gute Hirte als wertvoller Schatz
Was würden Sie in eine Schatzkiste packen ?
In eine Schatzkiste, in die nichts hinein darf, was man kaufen kann?
Eine Schatzkiste voller Gedanken und Bilder, die ihrer Seele gut tun kann, in guten Zeiten und in dunklen Tälern.
Vermutlich würden Sie Lieder hineinpacken, die ihnen bedeutsam geworden sind genauso wie den Konfirmationsspruch und ggf. den Hochzeitsspruch.
Und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie an jenen Psalm
nicht vorbeikommen, den viele in ihrer Konfirmandenzeit auswendig gelernt haben: „Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln....“
Dieses Bild , das eine getroste Geborgenheit im Glauben vermittelt, ist auch deswegen wertvoll, weil es voller Assoziationen ist.
Bilder vom guten Hirten sind im Laufe der Kunstgeschichte viele gemalt worden; freilich gibt es erstaunlicherweise wenige bis sehr wenige Kunstwerke, die auch einen zeitgenössischen Betrachter ansprechen.
„Der gute Hirte“ von Giovanni oder „Jesus als Hirte einer Schafsherde“ von Josef Kastner sind wohl noch die prominentesten und verbreitesten Darstellungen, die aber nicht umhin kommen, Jesus mit Heiligenschein und dieser Welt entrückt darzustellen.
2. „Der Herr ist mein Hirte..“
„Der Herr ist mein Hirte.“
Interessanterweise ist genau dieses Bildwort eines von sehr wenigen, die auf den Schöpfergott des Alten Testaments angewendet werden wie von Jesus als Sohn Gottes im Neuen Testament auf sich bezogen werden.(Joh. 10,11)
Bei der vorliegenden Darstellung des Guten Hirten fällt zunächst die Dreiteilung des Bildes auf; das größte Teil ist zentral gehalten, zwei kleinere sind links und rechts zugeordnet.
Der gute Hirte steht in der Mitte, mit beiden Füßen auf der Erde; der Kopf - gut behütet mit einem klassischen Hirtenhut – berührt den Himmel.
Der gute Hirte verbindet in seiner Person Himmel und Erde das „Jetzt und Hier“ und das „Dort und Dann“. Eingehüllt ist er, der gute Hirte, in einen roten Mantel.
Die Farbe Rot steht hierbei für die göttliche Kraft und für die Liebe.
Der gute Hirte blickt auf seine Herde, deswegen sind seine Gesichtszüge verborgen und nicht erkennbar, so wie auch Mose am brennenden Dornbusch das Angesicht Gottes nicht sehen durfte.
Am Arm trägt der gute Hirte fürsorglich und selbstverständlich ein Schäfchen. Von all den Schafen der Herde ist es ausgerechnet das einzige schwarze Schaf . Ein Bild mit tiefem Symbolcharakter, erinnert es doch deutlich an die vielen Geschichten, in denen sich Jesus all derer annahm, die am Rande der Gesellschaft gestanden haben und durch Standeszugehörigkeit (z.B. die Zöllner) , durch schuldhaftes Handeln ( z.B. die Ehebrecherin) oder durch Krankheit stigmatisiert, ausgegrenzt wurden.
„Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken“ (Lk 5,31) antwortet Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten auf die Frage, warum er mit Sündern und Zöllnern isst .
Der gute Hirte mit dem schwarzen Schaf auf dem Arm schaut auf seine Herde und zählt die Häupter seiner Lieben. – und wer sehr genau zählt, kann auf dem Kunstwerk genau 40 Schafe entdecken.
Jene Zahl vierzig , die im Alten Testament für eine sehr große Anzahl steht. 40 Tage war die Arche Noah unterwegs und 40 Jahre verweilte das Volk Israel in der Wüste, ehe das Gelobte Land sich öffnete. 40 Wochen dauert übrigens auch eine Schwangerschaft.
Der gute Hirte hat also sein genaues Augenmerk auf eine große Anzahl gerichtet; jedes seiner Schafe braucht ein ganz eigenes Verhältnis von Distanz und Nähe zum guten Hirten.
Durch die leicht erhöhte Stellung hat der gute Hirte die Möglichkeit, all seine Schafe im Blick zu haben und ihnen gleichzeitig so nahe zu sein, dass er sie beschützen kann.
Die Schafe fühlen sich geborgen; sie wissen, dass er da ist; sie brauchen keine Angst zu haben und können somit ihr eigenes Leben führen.
Nicht jedes schaut so frech und direkt wie jenes im Bildvordergrund.
Alle anderen sind mit dem Stillen der Grundbedürfnisse beschäftigt: gut essen - auf einer grünen Aue - und gut trinken - an frischem Wasser.
Der gute Hirte weiß ,was die Seinen brauchen und sorgt dafür, dass es ihnen an nichts mangelt
Der gute Hirte zeichnet sich also durch Weitblick und Fürsorge aus.
3. Psalm 23 eingerahmt von Psalm 121 und Psalm 1
Jener Weitblick führt die Augen des Betrachters zu einer Gebirgskette, die die saftigen Auen eingrenzen.
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe. Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“ – so beginnt der neben dem Psalm 23 wohl bekannteste Psalm, der Psalm 121.
Und während die Weite im rechten Bilddrittel in den weiten Horizont entschwindet, rahmt ein gewaltiger, gesunder, fest verwurzelter Baum das Kunstwerk des Guten Hirten von der linken Seite ein.
Auch dieses Motiv ist aus einem Psalmwort entliehen.
Im Psalm 1, gleichsam als Überschrift für das Gesamtwerk des Psalters, lesen wir:
„Der ist wie ein Baum , gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.“ (Psalm 1,3)
„Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“
In diesem Schlussvers des Psalm 23 kommt das unbedingte Vertrauen zum Ausdruck, das Christen „Glauben“ nennen.
Welch ein Schatz, den guten Hirten als seinen Herren zu entdecken, der Himmel und Erde liebevoll miteinander verbindet. |