„Auf dem Weg des Glaubens“
Texte: Hebr. 11,6, Joh 20, 21ff.
 
 
Liebe Gemeinde !

In der folgenden Predigt möchte ich versuchen , Sie einzuführen und Ihnen einige Impulse zu geben für das Wachsen im Glauben und für das Bearbeiten der Zweifel.

  • Etymologische Annäherung
  • Glaube und Wissen
  • Biblische Vorbilder des Glaubens – Petrus auf dem Wasser; der ungläubige Thomas, der römische Hauptmann
  • Glaube wird gelebt – der Heinzie

 

Zu I. Was heißt schon „glauben?“

In unserem deutschen Wort „glauben“ steckt das mittelalthochdeutsch Wort „geloben“.
Im lauf der Jahrhunderte wurde aus dem „geloben“ unser Verb „glauben“.

Geloben ist dabei freilich nicht nur im Verständnis von „Gelöbnis“ zu verstehen, wie es die junge Rekruten bei der Bundeswehr als Eid für das Vaterland ablegen.
Das mittelalthochdeutsche „geloben“ geht auch über das reuige „ ich gelobe Besserung“ hinaus; vielmehr fließen in dem  Wort ge- loben verschieden Ströme des Lobens zusammen. Geloben ist ein vielfaches und unterschiedliches Loben.

Unser Wort „glauben“ basiert also zunächst einmal auf „loben“ aus vielerlei Gründen und vielerlei Mündern.
„Gott loben – das ist unser Amt“ haben sich viele Kirchenmusiker auf ihre Fahnen geschrieben nach dem biblischen Leitwort “Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir gutes Getan hat.“

„.. was er Dir Gutes getan hat“ -   der Mensch, der glauben kann, glaubt daran, dass Gott es mit ihm gut meint und dass er Gott vertrauen kann.

Interessanterweise, und auch hier entdecken wir eine sprachliche Wurzel, steht im griechischen dasselbe Wort für „glauben“ und „vertrauen“. Dieses griechische Wort heißt  “pisteuein“ und kennt keine Unterscheidung.

„Glauben“ und „Vertrauen“ sind dasselbe.
Du vertraust/Wir vertrauen jeden Tag zig mal unser Leben anderen Menschen an, z.B. dem Busfahrer, dem Metzger, der Bäckereiverkäuferin.
Kein Mensch kommt im Leben ohne Vertrauen, ohne Glauben an die Fähigkeit des anderen aus.
Und gerade, wenn es um so wichtige Dinge wie Freundschaft und Liebe geht, klappt sowieso nichts ohne gegenseitiges Vertrauen.

II. Glaube und Wissen

Beim „Glauben“ im religiösen Verständnis ist es ähnlich.
Es geht hierbei um Vertrauen gegenüber Gott, es geht um Freundschaft, positive Erfahrung und um die Bereitschaft , sich einzulassen auf das unsichtbaren und niemals beweisbare gegenüber, das wir Gott nennen.

Der – im religiösen Sinne – Glaubende ist der, der an Gott glaubt.
Er setzt mitten in der Welt auf etwas, das diese Welt übersteigt.
Er lebt nicht religionslos oder atheistisch, sondern er hat seinen Grund in Gott, den er nicht sehen kann.
Glaube wird hier in Gegensatz gesetzt zu „sehen“, „wahrnehmen“, „greifen und begreifen“, „beweisen und nachvollziehen“.
Gerne wird dieser nicht beweisbare Glaube gegen die „ratio“ gegen die Vernunft, den Verstand ausgespielt, als ob überwiegend minderbemittelte, nicht exakt denkende aus einer gewissen Schwachheit heraus glauben würden oder sogar glauben müssen.

Kritiker frotzeln gerne mit der Definition „ Glauben heißt nichts wissen“ und nehmen damit ein Glaubensverständnis auf, das sicherlich zu gewissen Teilen vor der Aufklärung seinen Platz hatte.
Wer macht das Gewitter ? – Gott ?
Wer lässt die Erde kreisen ? – Gott.
Gott war zuständig für all die Fragen, die die Menschen mit Wissen sicher nicht beantworten konnten.
Umso mehr Wissen freilich angehäuft und entwickelt wurde, umso mehr wurde Gott in seiner Bedeutung zurückgeschoben – göttliche Rückzugsgefechte.
Dann wäre Gott in der Tat ein Lückenbüßer, der abgelöst wird durch die jeweils gesicherte neue Erkenntnis.
Der Glaube aber liebt die Vernunft, liebt das Verstehen, sucht das heftige Ringen um die tiefe Einsicht – und doch bleibt er nicht beim nur sichtbaren, verstehbaren stecken.
Mahatma Gandhi hat es so formuliert: „Der Glaube übersteigt die Vernunft; er ist ihr nicht entgegengesetzt.“
Der Glaube drückt etwas Hintergründiges oder Tiefgründiges aus: nämlich, dass hinter all dem, was die Naturwissenschaft beobachtet und erforscht, Gott steht.
Wir können Gott nicht mit den Mitteln der Naturwissenschaft beweisen, aber wir können Gott bejahen, ihm vertrauen, ihn annehmen und aufnehmen.

III. Biblische Vorbilder des Glaubens

Hungrig nach Beweisen, nach der endgültigen und klar nachweisbaren Wahrheit sind wir Menschen von Grund auf – nicht nur heute jetzt und hier, sondern auch schon zu Zeiten der Zeitenwende.
Jesu Freunde hatten sich nach seinem seltsamen Tod am Karfreitag aus Angst vor der Rache der Juden aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und sich in einem Raum eingesperrt und versteckt. Plötzlich kam durch die verschlossene Türe Jesus herein, wies sich aus durch die Wundmale in den Händen und an der Körperseite und redete mit ihnen. – Eine unglaubliche Geschichte.

Unglaublich auch für den einzigen aus der Gemeinschaft der Jünger, der nicht dabei war, unglaublich für den Apostel Thomas.
„Solange ich nicht in seinen Händen die Nagelwunden sehe und meine Finger hineinlege und meine Hand in seine Seitenwunde, werde ich’s nicht glauben.“ (Joh. 20,25)
Da ist er, der ungläubige Thomas, von dem Anteile in jedem von uns stecken:
Ich würde es gern glauben, aber ich kann nicht. Ich glaube nur, was ich sehe, was ich begreifen kann.

Und wie reagiert Jesus ?  Barmherzig und geduldig und gnädig.
Er taucht einfach noch ein zweites Mal auf, wieder durch die verschlossene Tür ( wie heißt es doch in der Jahreslosung 2009: „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich!“) und wendet sich zu Thomas und lässt sich „begreifen.“
Lege deinen Finger hierher und sieh meine Hände an und gib deine Hand her und lege sei in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“(Johannes 20,27).
Da gehen dem Ungläubigen die Augen auf, er schluckt, er erkennt und bekennt.
„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ (Johannes 20,29b) antwortet Jesus und macht damit auch uns deutlich, dass die Fähigkeit, glauben zu können und zu wollen über die Fähigkeit des Sehens, Denkens und Erkennens hinausgeht.

Gerne würde ich weitere unglaubliche biblische Glaubensgeschichten weitererzählen, so etwa  die des Petrus, der über das Wasser laufen kann, solange er auf Jesus schaut und voll Vertrauen ist und der einsinkt, als er plötzlich nachdenkt, was er unglaubliches gerade tut – nachzulesen in Markus 6, 45-56)

oder die des römischen Hauptmannes, der Jesus am Kreuz bewacht und von seinem Streben und den Begleitumständen des Sterbens so beeindruckt ist, dass er erkennt: „ Wahrhaftig, dieser ist Gottes Sohn gewesen.“ (Mt. 27,54)

Glaube, so können wir entdecken, muss gewagt werden wie der Sprung vom 5 Meter Brett, muss gelebt und erlebt werden, muss erzählt und bezeugt werden und hat viel mehr mit Vertrauen als mit Vernunft zu tun.

Und manchmal sind gerade die im Glauben groß, die im Leben eher unscheinbar und am Rande stehend sind; und so mag es mir erlaubt sein, zum Abschluss eine beeindruckende und auch beklemmende Glaubensgeschichte zu erzählen:

IV.Glaube wird gelebt- Der Heinzie

Er ging mit uns zur Schule und unsere Väter waren Arbeitskollegen.
Aber der Heinzie hatte es schwer mit uns.
Er hatte nämlich einen ziemlich großen Buckel und er lernte schwer.
Er kam bald in die Sonderschule.
Wir lachten ihn aus und schubsten ihn sogar.
Wir machten seinen ungelenken Gang nach und seinen langen Arme, die nicht wussten, wohin.
Da auch etwas mit seiner Stimme nicht stimmte, ahmten wir ihn nach und wer es am besten konnte, bekam Beifall. Ich schäme mich noch heute dafür.
Der Krieg begann, ich wurde Soldat und geriet schließlich in Gefangenschaft.
Als ich zurückkam, schlug ich mich mit verschiedenen Jobs durch.
Beim CVJM fand ich einen neuen Sinn in meinem Leben und wurde Mitarbeiter.
Und eines Tage straf ich Heinzie auf der Strasse.
Ich wollte an ihm vorbeieilen, aber er sah mich so traurig an, dass ich stehen blieb.
Er sagte: „Ich freu mich, dass Du gesund aus dem Krieg zurück bist.“
„Ja, ja“, knurrte ich und trat von dem einen Fuß auf den anderen.
Ich hab gehört, Du bist jetzt bei den Frommen – ist besser als die Hitlerjugend früher“.
„Ja, ja“ knurrte ich.
„Meinst Du, ich könnte auch zu den Frommen kommen ?“fragte er.
„Ja, ja“ sagte ich wieder – weiter fiel mir nichts ein.

Er erschien dann wirklich im CVJM.
Sonst gab ich immer damit an, welche tolle Typen ich bei uns anschleppte.
 Aber den Heinzie ließen wir alle links liegen.
Doch Heinzie war immer da, saß am Tisch und sagte kein Wort. Er war so ein stück Mobiliar geworden. Aber auf einmal war er nicht mehr da.
Fiel uns erst gar nicht auf. Wochenlang erschein er nicht.
Da haute mich der Vorsitzende an: „ Hör mal. Der Heinz wohnt doch da oben bei euch. Schau doch mal nach, was los ist.“
Ich traf zu Hause seine Mutter. Die war ganz traurig.
„ Der Heinzie ist im Krankenhaus. Er war ja schon immer schwach, auch sein Herz. Aber jetzt geht es Zu Ende.“
Schlechten Gewissens fragte ich nach dem Krankenhaus und besuchte ihn.
Die Krankenschwester sah auch traurig aus; aber sie freute sich über meinen Besuch.
„ Sonst kommt nur die Mutter und die weint immer.“
Da lag der Heinzie. Ganz bleich und dünn.
Er konnte kaum noch reden. Doch er lächelte. Er hielt meine Hand fest.

„War schön bei Euch.  Und du warst immer so gut zu mir.“

Ich schämte mich. Heinzie sagte:

„Kannst Du bitte noch einmal kommen und mit mir in der Bibel lesen.?“

Das tat ich.
Noch zwei Tage, dann starb Heinzie.
Die Krankenschwester sagte: „ So wie dieser Heinzie ist selten einer bei uns gestorben. So einen tiefen Glauben – wenn ich den nur auch hätte.“
„Das hab ich noch gar nicht an ihm gesehen“ sagte ich .

Am Grab sollte ich für unsere Gruppe etwas sagen.
Ich sagte alles, und alle schämten wir uns. Aber ich sagte auch:
„ Der Heinzie – Liebe hat er gebraucht. Aber er hat nicht immer Liebe bekommen. Doch er lebte und starb in Gottes Liebe und war ein Vorbild im Glauben. Wir alle brauchen die Liebe Gottes.“
Dann rannte ich weg.

Aber ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen.
Denn wer zu Gott kommen will, der muss glauben, dass er ist und dass er denen, die ihn suchen , ihren Lohn gibt.“ (Hebräer 11,6)