Predigt am 05.05.2013 zur Konfirmation in Tiefenbach
 
 
 

Für die Konfirmanden Johanna, Senta, Cosima, Julien und Philipp in der evangelischen Kirche „Zum Guten Hirten“ Tiefenbach

Liebe, die nicht das Ihre sucht (Joh 21, 15-19)

Konfirmations-Predigt 05.Mai 2013

Es ist die Frage aller Fragen, liebe Konfirmanden, liebe Eltern und Paten, liebe festliche Gemeinde:
Liebst du mich?

Wir bringen sie mit auf die Welt, sobald wir geboren werden.
Liebst du mich?

Stellen sie laut oder stumm in unserem Herzen, und werden selbst immer wieder gefragt: Liebst du mich?
Das Kind fragt die Mutter und manchmal auch die Mutter das Kind, die Schwester fragt den Bruder, Freundinnen und Freunde stellen einander diese Frage. Liebst du mich?

Liebende, am Anfang, wo es noch nicht sicher ist, ob daraus eine gemeinsame Geschichte wird. Und mittendrin und immer wieder: Liebst du mich? Liebst du mich eigentlich noch? Und die Antwort darauf kann einen Menschen retten oder zerstören.
Ein unentwegtes Nein macht lebensunfähig. Ein: Das habe ich dir doch schon vor 10 Jahren gesagt, macht aus der Liebe ein Museumsstück…

Wir wollen lieben und geliebt werden immer neu, gerade jetzt, so hungrig nach Liebesbezeugung wie nach den Sonnenstrahlen nach einem langen Winter.
Liebst du mich?

Am Freitag im Konfirmandenunterricht habe ich die /Euch Konfirmanden gefragt, worauf Du Dich freust.
Dass meine Tante kommt von so weit weg, dass meine Oma kommt, obwohl so schlecht gehen kann.
Dass unsere ganze Familie zusammenkommt. Liebst du mich?

Mit Deinem Kommen, mit Deinem Mitfeiern hier im Gottesdienst machst du deutlich. Ja, ich liebe dich.

Liebst du mich? Die Frage aller Fragen ?
Und niemand gebe sich dem Irrtum hin, das nähme mit dem Alter ab. Nein. Diese Bedürftigkeit bleibt. Und manche sagen: sie nimmt zu. Liebende sehnen sich nach Liebe. Immer wieder wollen sie hören: ja, ich liebe dich. Das zu hören ist nie gleich, es ist nie langweilig. Es macht gegenwärtig, lebendig, jung.

Deshalb gehören Liebe und Auferstehung zusammen. Es ist die gleiche Energie, es ist die gleiche Schöpferkraft: Totes wird lebendig, Getrenntes verbunden, Vergangenes bekommt Zukunft. Ein Wort, ein Zeichen, ein Hauch von Gottes Geist genügt.

Der Evangelist Johannes erzählt eine letzte Begegnung, ein letztes Gespräch, das der auferstandene Christus führt. Es ist ein Gespräch über die Liebe, nein genauer: es geht um eine Liebeserklärung. Gerade Johannes erzählt die Auferstehungsgeschichten als begeisternde Liebesgeschichte.

Eine kleine Liebensgeschichte im Raum der Kirche geht für Euch Konfirmanden mit dem heutigen Tag zu Ende. Eure Gruppe gibt es nicht mehr. Keine Fahrt zum Kuschelgottesdienst in die Jugendkirche nach Nürnberg, keine Wochenenden mehr mit Diskutieren und entdecken, mit Speilen und Gemeinschaft erleben in Rammelsbach, kein Freitag nachmitttag mehr, wo ankommen, abklatschen , begrüßen angesagt war, keine Spiele und Filmnacht mehr mit ziemlich beste Freunde auf der Leinwand und ein paar reale lieb gewordene Weggefährten, zum greifen nahe.

Liebst Du mich – Liebst Du Dich?
Unsere Kirchenvorsteherin Angelika Bohlig hat in sehr einfühlsamer Art und Weise – wie ich meine – Dich auf die Fragen des Glücks hingeführt und manche Erinnerungen an den Glücklich sein- Gottesdienst wieder hochkommen lassen.

Bei der Liebe – und jetzt verrate ich Dir etwas, was Du bei DSDS und GNTM nicht erfährst gibt es vier verschiedene Kleider.

Die Liebe hat verschiedene Kleider – und die bekanntesten heißen Eros und Sexus. Das ist so die äußerliche und oberflächliche Spielart der Liebe, die auch wichtig ist, aber wohl manchmal für zu wichtig empfunden wird. Leicht zu sehen und leicht zu manipulieren.
Daneben gibt es noch die Liebe im Kleid der caritas - nicht umsonst heißt die große diakonische Hilfsorganisation unserer katholischen Glaubensbrüder und -schwestern so. ( evtl. bei dieser Gelegenheit: wie heißt das evangelischen Pendant? – Diakonie mit 60.000 Arbeitsplätzen in Bayern)

Es gibt noch ein viertes Kleid der Liebe – diese hat einen Namen, den Du als Konfirmand und sicherlich auch viele hier noch nie gehört haben:
Diese Liebe kennt keinen Zwang, keine Gewalt, keine Selbstüberschätzung, sie will keine Herrschaft.
Diese Liebe ist eine Liebe ohne Gier und ohne Berechnung.
Diese Liebe ist ein einfühlsames, liebevolles Dasein für den Nächsten, - und diese Liebe wird gefüllt durch die Quelle, die aus der liebevollen Zuneigung Gottes empfunden werden kann.

Dieses vierte Kleid der Liebe nach Sexus Eros und Caritas heißt AGAPE. Komisches Wort für Liebe – AGAPE.

Und diese AGAPE, diese wundervolle, nicht berechnende geistreiche Liebe soll das Herzstück der Kirche Jesu Christi sein, soll das Herzstück Deiner Kirche sein, der Du ab heute als mündiges, den Mund voll nehmendes Mitglied angehörst.

Es ist schon gut vierzig Jahre her, dass Heinrich Böll – Du weißt, das ist jener Schriftsteller, der die Anekdote von der Senkung der Arbeitsmoral geschrieben hat ( gespielt am 21.04.13 von Senta, Tobi und Julien) - in seiner Stockholmer Nobelpreisrede 1969 an diese Liebe erinnert und der Kirche attestiert, sie vergessen zu haben.

Vom Christus, der die Menschen berührt, geküsst, mit Speichel bestrichen, geheilt und begleitet hat, also mit Leib und Seele seinen Glauben gelebt hat, erzählt Böll damals.
Und er plädiert für eine Theologie der Zärtlichkeit. – wie sie auch im naiven einfachen frommen Gebet zum Tragen kommt:
„Lieber Gott mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm“.
Ein zärtlicher Christus, den wir anrufen können und der immer da ist mit der Frage: Liebst du mich?

Hier schlägt das Herz der Kirche, Deiner Kirche, auch meiner Kirche: Liebst du mich?
Das ist eine ganz unzeitgemäße Haltung. Lieber 325 Freunde bei facebook als sich offen und verletzlich machen.
Was wir kennen, das ist coole Distanz.
Was wir kennen, das ist die heillose Ausnutzung des Menschen.
Statt ihm zu helfen, bedient man sich seiner.
Statt ihn zu hüten, weidet man sich an ihm. Der verfügbare, der verwertbare Mensch.
Der größte Skandal unserer Zeit, sagt Papst Franziskus gleich zu Beginn seiner Amtszeit, das ist der Menschenhandel und ich füge, dass alle drei Sekunden ein Mensch stirbt , obwohl im Hause Gottes, in der Schöpfung genug für alle da ist. Noch liebloser und gedankenloser geht es nicht.

Die Kirche soll es anders machen. Wir dürfen es anders machen. Wir alle brauchen die Liebe, die nicht das Ihre sucht. Und dürfen sie weiter verschenken. Gott wird uns immer wieder dorthin führen, wo sie in uns wachsen will.

Auch diese Liebe lebt vom Liebesgespräch, sie lebt von der Zeit, die Liebende miteinander teilen.

Und Gottesdienst ist Liebeszeit, die wir mit Gott verbringen. Das ist die Zeit, in der wir gefragt werden: Liebst du mich?

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Thomas Plesch am 27.April 2013, nach einem Gedankenaustausch mit Melitta Hansen (14.04.13 in Nbg-Lorenz)