Predigt am 08. März 2015 zum Dritten Gebot: (Exodus 20, 8-11)
Du sollst den Feiertag heiligen

 
 
 

Liebe Gemeinde !
Wir schreiben das Jahr 321 – Kaiser Konstantin der Große ist im zentralen Europa an der Macht und er beschließt, - aus verschiedenen Gründen – dass ab dem ersten Sonntag im März 321 der Sonntag der allgemeine Feiertag und Ruhetag ist.
Das, was bei den Juden der Sabbat ist, soll im konstantinischen Reich mit den zahlreicher werdenden Christen der Sonntag sein.
"Alle Richter und Einwohner der Städte, auch die Arbeiter aller Künste, sollen am ehrwürdigen Tag der Sonne ruhen."
Corpus juris Civills, II Codex Justinianus, III, 12, 2
Wir schreiben das Jahr 1529; Martin Luther formuliert in seinem kleinen Katechismus einfache Auslegungen u.a. zu den Zehn Geboten:
Du sollst den Feiertag heiligen!
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern es heilig halten, gerne hören und lernen.
Wir schreiben das Jahr 2015. Immer wieder gehen Tausende, Zehntausende für PEGIDA, LEGIDA und andere Gruppierungen auf die Straße:
PEGIDA – Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes
LEGIDA (gibt es seit 12.01.2015) Leipziger gegen die Islamisierung des Abendlandes.

Für mich schwingt unterschwellig mit: das Abendland möchte nicht islamisiert werden, weil es etwas anderes ist, nämlich das christliche Abendland.
Und hier wird es spannend:
Zunächst: in einem guten Dialog der Religionen muss die Suche nach den Gemeinsamkeiten und den kleinsten gemeinsamen Nennern größer sein als der kalte Schulterschluss.
Und dann: Jeder, der die Bibel und die Kultur des Christentums auch nur ein bisschen kennt, weiß, dass die Gastfreundschaft, die Bereitschaft der Öffnung für Fremde eine durch und durch christliche Tugend ist.
Und zuletzt: Was tun diese Demonstranten, halt Stopp, besser was tun wir für das christliche Proprium in unserem Land?
Für mich zählt die Kultur des Sonntags und der Erhalt des Sonntags als christlicher Feiertag, als gesellschaftlich anerkannter und geschätzter Feiertag in großem Maße dazu.
Aber heiligen wir diesen Sonntag auch als Sonntag?
Über ¼ der in Deutschland Beschäftigten (ca. 11 Mio. Menschen) arbeiten regelmäßig am Sonntag.
Und vielleicht arbeiten Sie auch für uns?
Dabei denke ich gar nicht an die, die unbedingt am Sonntag arbeiten müssen, wie der Rettungssanitäter und die Pflegerin im Altenheim, wie die Polizistin und der Koch.
Aber muss unbedingt der „Am Sonntag“ Blatt Austräger arbeiten, die Bäckerin um die Ecke, die Verkäuferin beim Möbeldiscounter, der Telefonist bei Amazon, Otto und Zalando?
Muss ich am Sonntag unbedingt einkaufen gehen oder telefonisch bestellen?
Tübingens OB Boris Palmer sagte unlängst der Wochenzeitung „Die Zeit“ :„ Im Schutz der Sonntagsruhe gedeiht nicht das Christentum, sondern Amazon“.
Und so Unrecht wird er nicht haben. Und das bringt mich auf die Palme. Der Sonntag möchte seine Würde zurück und er braucht seine Würde zurück. denn sonst könnte unsere ganze Gesellschaft in gewisser Weise vor einem kollektiven „Burn out“ stehen.
Jeder Muskel lebt von Anspannung und Entspannung; jeder Tag lebt von dem Rhythmus des beginnenden Morgens und des ruhenden Abends.
Stellen Sie sich nur einmal vor, dass bald – aus wirtschaftlichen Gründen – auch am Samstag und am Sonntag die Bänder bei BMW und Konsorten nicht still stehen; stellen Sie sich nur einmal vor, dass auf der Autobahn der Schwerlastverkehr rattert und auf den Großbaustellen die Presslufthammer lautstark hämmern; stellen Sie sich nur einmal vor, dass Aldi und Walmart 7 Tage 24 Stunden an 365 Tagen aufhaben und dort auch Verkäuferinnen und Kassiererinnen sein müssen.
Stellen Sie sich weiter vor, dass natürlich die Kinder betreut werden müssen und die Kinderhorts und Kindergärten auch geöffnet haben müssen und weil diese Kinder Geschwister haben, die in die Schule gehen, gibt es auch dort Feiertagsbetreuung oder Wahlunterricht.
Stellen Sie sich das nur einmal vor!
Keine angenehme Vorstellung - wie ich finde und Sie hoffentlich auch finden.
Du sollst den Feiertag heiligen
Dieses Gebot hat mindestens drei Dimensionen:

  1. Die kollektive Dimension – die ganze Gesellschaft soll/ darf gemeinsam zur Ruhe kommen und hat eine gemeinsame Ruhezeit.
  2. Die individuelle Dimension – jeder einzelne darf sich mal hängen lassen, die Seele baumeln lassen; darf ausatmen und muss nichts leisten, muss nichts vorweisen.
  3. Die spirituelle Dimension – der Mensch lebt nicht vom Brot allein; der Mensch lebt nicht von der Jagd, der Hetze allein, sondern ist ein Gegenüber des Schöpfers. Alles Wichtige im Leben des Menschen ist – Gott sei‘s gedankt – schon getan.

Einige kurze Konkretionen zu diesen drei Dimensionen:

  1. Wir brauchen einen Großteil der Gesellschaft, der merkt, dass Sonntag Sonntag ist; ein Tag, der unser aller Rhythmus durchbricht.

Es soll ein Tag sein, an dem eben nicht die Arbeit und die Wirtschaft regieren, sondern ein Tag der Stille, die unsere Seele braucht.
Ein Tag, an dem keine Motorsäge und kein Industrielärm zu hören ist – ein heiliger Tag. Kein Einkaufsstress in der schön strahlenden Galerie, sondern eine entstresste Zeit im Park, bei Freunden – weg vom Alltag.
Deswegen finde ich den Sonntagsschutz politisch so wichtig und plädiere dafür, dass wir als Christen da gegen den Strom schwimmen – denn wenn wir uns einfach weigern, sonntags einkaufen zu gehen, besteht auch kein Anlass, die Läden geöffnet zu halten.

Es liegt im Wesen der Stille, dass sie leicht gestört werden kann. Wenn in der Kirche hundert Menschen stille werden und irgendwo zwei Konfirmanden kichern, dann ist die Stille zerstört.
Wenn 100 Menschen am Sonntag die Arbeit ruhen lassen und einer beschließt, morgens um neun mit der Flex zu arbeiten, dann ist die Stille gestört.

  1. Wer bin ich?

Was interessiert mich? Was macht mich aus? Kenne ich überhaupt noch meine Eltern bzw. Kinder, kenne ich noch meinen Partner, wenn ich früh heimkomme von der Schicht, man kurz eine Übergabe macht und der andere geht.
Wann habe ich schon einmal Zeit zum Kochen, zum richtig Kochen, zum Spielen, zum Lesen?
Im Urlaub, denken Sie vielleicht.
Im Urlaub ist es erlaubt, dass ich mal nichts leisten muss, sondern mir etwas leisten kann. – Und der Urlaub im Alltag – das ist der Sonntag - Gott sei Dank für mich und meine Seele.

  1. Gott sei Dank gibt es den Sonntag

Urlaub im Alltag, einmal ausschlafen, sich nicht stressen lassen und andere nicht stressen – all das mag zum Sonntag gehören – freilich der Sonntag ist noch mehr und kann noch mehr.
„Du sollst den Feiertag heiligen“ – heißt auch: Du sollst das Heilige, das besonders Wertvolle, das Göttliche mit in diesen Tag nehmen.
Gott möchte uns begegnen – jeden Tag, aber besonders an seinem Tag. Gott bietet uns seine Gemeinschaft an – im Gottesdienst, im Gebet, an der frischen Luft, in seinem Wort.
Dass wir für ihn Zeit haben, dafür gibt es uns frei – schulfrei und arbeitsfrei.
Damit niemand am Ende des Lebens sagen kann: Gott hätte mich interessiert, aber ich hab nie Zeit gehabt. Ich musste ja immer arbeiten und Geld verdienen.
Gott schenkt uns Zeit und manchmal eine besondere Zeit.
Machen wir – um Gottes willen – den Sonntag zu einer besonderen Zeit – zu einer Zeit für Gott und mit Gott.
Damit wir mit Gottes Segen voller Kraft und Liebe und Zufriedenheit und Freude in den Alltag gehen können.
Ausgeruht – bei uns zu Hause – und mit Gott im Bunde.
In Gottes Namen - Amen
Thomas Plesch am 27.02.2015