Jahreslosung
Predigt am 06.01.2016

 
 
 

Predigt am 06.Januar 2016  zur Jahreslosung

Gott spricht: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet!“   Jesaja 66 ,13

 

1.) Aufkommende Fragen zur Losung des Jahres 2016

Diese Jahreslosung erscheint mir kurz, knackig, stark, trostreich, verständlich und anders.
Die Mutter kommt vor. Und mit der Mutter ist der Trost und das Trösten verbunden.
Gott will trösten wie eine Mutter tröstet – Vater unser im Himmel – wie eine Mutter trostreich auf Erden.
Nun ist es an der Zeit innezuhalten, hineinzuschauen in das eigene Leben, in mein eigenes Leben.
Wo hat mich meine Mutter getröstet?
Wie hat mich meine Mutter getröstet?
Hat sie mich als Baby, als kleines Kind und als Jugendlicher getröstet?
Hat sie mich auch später in schwierigen Situationen getröstet, als ich schon erwachsen war?
Was hat mir gut getan?
Was eigentlich ist trösten?
Und wie geht trösten?
Gott spricht: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet!“  Jesaja 66 ,13

2.) Theologischer und biblischer Hintergrund

Doch bevor wir einige der aufgeworfenen Fragen näher anschauen und bedenken, gilt es,
die Hintergründe zu entdecken, die zu diesem Spruch geführt haben:
Dieser Spruch steht im Buch des Propheten Jesaja, weit hinten im Kapitel 66.
Wir schreiben ca. das Jahr 515 vor Christi Geburt. Das auserwählte Volk Gottes, das Volk Israel, fühlt sich manchmal von Gott verlassen, von Gott entfernt. Die stolzen und erfolgreichen Jahre – wie z.B. unter den Königen David und Salomo  - sind vorbei.
Der imposante und Gott zu Ehren gebaute Tempel wurde von den Persern vor gut 80 Jahren zerstört; die Menschen aus dem Volk Israel waren 40 bis 50 Jahre in der Gefangenschaft in Babylon als billige Arbeitskräfte eingesetzt und gerade sind die jüdisch gläubigen Menschen aus Babylon wieder in ihre alte Heimat, in das Heilige Land zurückgekehrt.
Aber der Glanz ist nicht mehr da – und der Tempel in Jerusalem wird mühsam wieder aufgebaut.
Gott spricht: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet!“  Jesaja 66 ,13
Es wird alles wieder gut werden, wir werden gesund und stark werden. Das meint Trost eigentlich, dem Worte nach. Nun waren sie in Jerusalem, sind nach Hause zurückgekehrt, haben den Tempel neu aufgebaut und haben mit Gott gerechnet.
Aber der Tempel war bescheiden und auch sonst sah es um sie herum nicht besser aus. Wo war der Trost? Waren sie verlassen, wieder verlassen? Waren die schönen Worte nur eine Täuschung gewesen?

Und die gläubigen Menschen des Volkes Israel hören  das Wort des Propheten und wieder wendet sich Gott ihnen zu und verspricht: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ (Jesaja 66,13). Im Text steht wortwörtlich „wie eine Mutter einen Mann tröstet“; so übersetzt es auch Martin Buber.

Im Vers zuvor wird indes von Kindern gesprochen: „Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Ihre Kinder sollen auf dem Arm getragen werden, und auf den Knien wird man sie liebkosen.“

Und blättert man in anderen Übersetzungen, dann stößt man in der lateinischen Übertragung genau auf dieses Wort. Sie hat bei der Mutter Liebkosen an die Stelle von Trösten gesetzt. 
Gott spricht: „Ich will euch liebkosen, wie einen seine Mutter liebkost!“   Jesaja 66 ,13
Wir können es glauben oder nicht: Gott liebt uns Menschen, seine Geschöpfe wie ein himmlischer Vater und eine leibhaftige Mutter auf Erden.
Gott der Schöpfer liebt jedes einzelne seiner Geschöpfe, die er sich nach seinem Ebenbild, Spiegelbild erschaffen hat.
Gott liebt nicht nur, sondern er ist die Liebe; er hat gleichsam die Liebe erfunden.
Und in harten Zeiten kann er uns trösten, lieb-kosen; er kann die Quelle sein, aus der wir den Trost schöpfen und empfangen.
Wie gesagt: Wir Menschen können es glauben oder nicht; wir können es begreifen oder nicht.
So heißt es schon im Johannes Evangelium: Das Licht - die Liebe Gottes -  scheint in der Finsternis, sie scheint auf dem blauen Planeten, auf Mutter Erde, wo es mitunter auch finster zugeht, und die Finsternis hat es nicht begriffen.
Aber wer etwas von der Liebe Gottes gespürt hat, empfangen hat, der kann Liebe weitergeben, der kann auch Lieb-kosungen, Trostreiches weitergeben.
Gott spricht: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet!“  Jesaja 66 ,13

3.) Wie kann ich gut und hilfreich trösten?

Oder anders formuliert: weil wir Liebe, Wärme und menschliche Nähe von unserer Mutter, von anderen Menschen, die uns nahestehen, empfangen haben,  können wir in Krisenzeiten, in mühsamen Zeiten liebevoll und trostreich agieren.
Und wie oft sehe ich Menschen liebkosen in traurigen Zeiten und wie gut es tut, getröstet, umarmt, berührt zu werden!
Mir fallen zahlreiche Bilder auf den unterschiedlichen Friedhöfen ein;
Und es gibt so viele andere Situationen, wo Trost heilsam ist:

  1. Da kommt die Tochter mit einer „sechs“ nach Hause, wo sie doch auf eine „vier“ gehofft hat; eine Welt bricht zusammen.
  2. Da macht die Freundin des Sohnes nach drei schönen gemeinsamen Jahren aus heiterem Himmel „Schluss“ mit ihm und er weint wie ein Schlosshund.
  3. Da geht ein Freund zum Arzt, weil er sich immer so müde fühlt – und dann stimmt das Blutbild überhaupt nicht, weil Krebszellen ins Gewebe eingezogen sind.

In all diesen Situationen gibt es  gute sieben (! Eine heilige Zahl) Schritte, als TrösterIn gesegnet zu wirken:

1.) Einfach nur da sein

Oft genügt auch nur die bloße Anwesenheit. Es bedarf keiner großen Worte. Manchmal will man vielleicht untertauchen und fühlt sich unsicher, wie man sich am besten verhalten soll. Doch für die trauernde bzw. Trost suchende Person ist es sehr wertvoll, zu wissen, dass jemand für ihn da sind, dass sie nicht alleine ist.

2.) Zuhören – Ohren auf – Mund zu

„Der liebe Gott hat uns zwei Ohren und einen Mund gegeben“.
Dasein und Zuhören ist das Wichtigste beim Trösten überhaupt.  Keine Lösungen oder Ratschläge geben. Nichts beschwichtigen. Einfach ein offenes Ohr schenken und da sein.

3.) Liebkosen , z.B. mit einer Umarmung oder Berührung

Eine Umarmung kann Trost spenden. Aber das gilt nur dann, wenn man  mit der leidenden Person vertraut ist und die „Chemie“ stimmt. Andernfalls könnte eine Umarmung befremdlich wirken

4.) Keinen billigen Trost geben

Berühren, nicht mit Worten einfach da sein – das kann gut tun.
Und doch sind wir es gewohnt, immer wieder zu reden, vielleicht auch unsere eigene Unsicherheit mit Reden zu übertünchen. Sehr schnell können da Floskeln, Worthülsen kommen, die nicht weiterhelfen: „Das wird schon wieder“ oder „So schlimm ist es gar nicht“ –  Also besser schweigen als nichtssagend die Stille unterbrechen.

5.) Gefühle zulassen

Und dann darf die Wut, die Ohnmacht, die Klage, die Tränen herauskommen. Tränen sind gut, sie schwemmen den „Müll“ von der Seele, sie reinigen von innen. Klagen und schimpfen ist gut – es geht in dieser Phase nicht um die letzte Gerechtigkeit, sondern um die innere Gesundheit dessen, der getröstet wird.

6.) Verarbeiten und Beistehen durch Kreativität

Manchmal hilft es auch dem, der tröstet, in Sicherheit zu bleiben.
Und dann hilft es, Wort für Wort genau zu suchen und zu finden und festzuhalten und zu schreiben. Oder sich mit einem Gedicht oder einem Spruch tröstend mit dem, der Trost  braucht in Verbindung zu setzen. Andere Menschen malen wunderbare Bilder, töpfern Trostreiches, was man in die Hand nehmen kann oder finden andere individuelle Wege, auf die ganze eigene Art und Weise  das „Da sein“ anzubieten.
Grundsätzlich gilt auch in trostlosen Stunden, dass Eindruck als Aktion Ausdruck als Re-Aktion benötigt.

7.) Tatkräftig unterstützen

Leidende und trauernde Personen sind oft in einer Art Schock-Starre versetzt. Sie haben keinen Nerv und keine Kraft, um z.B. die Reifen zu wechseln oder den Rasen zu mähen.
Und doch geht auch für den zu Tröstenden das Leben mit seinen ganz alltäglichen Anforderungen weiter.
Hier kann es durchaus trostreich sein, praktische Hilfe anbieten, ohne großes Aufsehen zu erregen da zu sein und dann auch wieder weg zu sein.

Gott spricht: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet!“  Jesaja 66 ,13
Und wenn Gott unser Vorbild ist, dann können wir mit ihm und nach ihm mit diesen gerade gehörten sieben Schritten ein kleiner trostreicher Begleiter sein.
Aus meiner Sicht fehlt noch ein wichtiger geistlicher Baustein des Trostes:
Das gemeinsame Gebet. Die Verbindung vor Gott und mit Gott.
Das Übergeben der zu tröstenden Anliegen an den größten Tröster.
Wie die Liebe einer herzensguten Mutter,
die wacht und sorgt, wenn ihr Kind schläft,
und die alle Wunden versorgt und alle Tränen trocknet
gleich wie  die Liebe einer herzensguten Mutter,
so kann die Liebe Gottes zu unserem Trost werden.    

           
Thomas Plesch am 05.01.2016