Memento 
          Vor meinem eignen Tod ist mir nicht  bang. 
          Nur vor dem Tod derer, die mir nah  sind. 
          Wie soll ich leben, wenn sie nicht  mehr da sind? 
          Allein im Nebel tast ich todentlang 
            Und lass mich willig in das Dunkel  treiben. 
            Das Gehen schmerzt nicht halb so  wie das Bleiben. 
          Der weiß es wohl, dem gleiches  widerfuhr; 
            Und die es trugen, mögen mir  vergeben. 
            Bedenkt, den eignen Tod , den  stirbt man nur, 
            Doch mit dem Tod der andern muss  man leben. 
            (mascha kaleko- aus : verse für  zeitgenossen) 
          Das  Traurige, das Schmerzliche, das Verlustvolle – sie sagt es so schön –  
            auch  die Schwierigkeit, zu bleiben, am Leben zu bleiben, weiter zu leben. 
          Wie  denn? Wozu denn? Warum denn?  Wenn der  Lebensinhalt  - der geliebte Ehemann, die  geliebte Ehefrau, das eigene Kind gegangen ist, nicht mehr greifbar,  begreifbar, spürbar unter uns sind. 
          Das  irdische Leben ausgehaucht. 
            Das  irdische Leben – Erde – Mutter Erde – oh Vater im Himmel –Warum? 
            Ausgehaucht  – kein Hauch von Leben mehr. 
            Und  wer beim Ableben dabei war, wird wohl ähnliches gespürt erlebt haben – nach dem  ärztlich festgestellten Ableben. 
            Nein,  mein Lieber, der atmet noch, die Bauchdecke geht noch nach oben und nach unten. 
            Nein,  er atmet nicht mehr. 
            Aber  man will es nicht wahrhaben, kann es nicht annehmen. 
            Gerade  in letzter Zeit so viel Pflege, so viel Berührungen, so viel Nähe, so viel  Liebe. 
            Komisch  - auf dem Sterbebett da gibt es keine Machtkämpfe mehr, keine Diskussionen, wer  den Müll hinausträgt. 
            Wertvoll,  die begrenzte Zeit, die kostbare Zeit, die man noch gemeinsam hat. 
            Berühren,  streicheln, einfach da sein, Nähe schenken, Nichts tun –  
            ohne  Rüstung, ohne Maske, ohne Schutz - Seite an Seite – festhalten kurz vor dem  Loslassen. 
            Den,  der geht, über-schütten, zu-decken, mit-teilen von dem, was er einem selber  bedeutet, was man gemeinsam dankbar und freudig und bewegend und haftend  bleibend erlebt hat. 
            Kostbare  Minuten, Stunden, Tage, Wochen. 
            Plötzlich  ist das Leben begrenzt – aber war es das nicht schon immer? –    
            begrenzt  an Zeit und Kraft und Liebe und natürlich auch an Geld. 
            Plötzlich  ist das Leben begrenzt, weil das Ende herüberwinkt. 
            Oder  – wie es Franz Kafka ( 1883- 1924) bildhaft eindrücklich formuliert: 
  „Man  sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich  dunkel ist.“ 
          Die  Sonne geht unter – zu erwarten und doch ein Skandal – jetzt ist es soweit – der  Augenblick, vor dem ich mich so lange gefürchtet habe. 
            Der  liebe Mensch geht – ich bleibe. 
            Irdisches  Leben und ausgehauchtes Leben .  Zwei  Seiten - auseinander gebracht 
            Aus  Gemeinschaft wird Einsamkeit, Verlassenheit. 
          Das Gehen  schmerzt nicht halb so wie das Bleiben. 
            Und  was bleibt mir? 
            Und  was soll ich jetzt? 
            Und  wer bin ich jetzt? 
            Und  was mache ich mit der ganzen Zeit, die ich bisher gerne geteilt habe mit dem,  der gegangen ist und die nun leer, ungefüllt, scheinbar sinn-los ist? 
            Und  was machen meine Freunde, meine Familie mit mir, mit meiner neuen Rolle? 
            Bloß  nicht um das Erben streiten – davor wird schon eindringlich in der Bibel  gewarnt! 
            Und  das haben wir doch gerade erst beim Loslassen lernen müssen: das letzte Hemd  hat keine Taschen – ach, wie verflucht ist der Mensch, dass er so gerne  und  zentriert materiell denkt – aber ein  Tod, eine Geburt, eigentlich eine jede geist-reiche Begegnung – die ist  spirituell!! 
            Materiell  und spirituell – Materie greifbar und spirituell spürbar – da liegt ein  besonderer Geist in der Luft. 
            Bitte  das Spirituelle zeitlebens nicht vernachlässigen, das Göttliche, die Seele. 
          „Lobe  den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat“! 
            Oh  ja, am Ende des Lebens trotz aller Bitterkeit und Traurigkeit nicht vergessen,  was war da Gutes dabei. Geschenkte Zeit, geschenkte Begegnungen, geschenkte  oder hart erarbeitete Erfolge. 
            Nimm  Gott mit in dein Boot; Gott hat andere Dimensionen als die unseren hier auf der  Erde, Zeit und Raum. 
            Und  beim Sterben sind diese beiden doch so stets wichtigen Dimensionen plötzlich  auf Null.  
          Die  Zeit zum Leben – Null 
            Der  Raum zum Leben – Null. 
          Aber  wir Menschen mit unserer Seele sind keine Nullnummer. 
            Wir  sind keine seelenlose Nummer, die 51, 80 oder 94 Jahre sich abrackern und null  bleibt zurück und null geht weiter. 
  „Wer  da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ heißt es bei Markus im 16.  Kapitel nach der Geschichte der leeren Grabkammer am Ostermorgen. 
            Und  deswegen ist es unsere Hauptaufgabe im Leben, unseren Glauben zu entdecken, zu  entwickeln und zu entfalten. 
            Ich  will nicht so kühn sein, zu behaupten, dass Menschen, die im Glauben gewachsen  sind, angstlos mit dem Tod umgehen können. 
            Ich  will aber behaupten, dass Menschen, die im Glauben gewachsen sind, zumindest  getrost mit dem Tod, mit der Übergabe an Mutter Erde, mit der Hoffnung auf  unseren Vater im Himmel umgehen können. 
            Zumindest  theoretisch – praktisch - wirklich mag es dann wieder ganz anders sein. 
            Memento 
            Vor  meinem eignen Tod ist mir nicht bang. 
            Nur  vor dem Tod derer, die mir nah sind. 
            Wie  soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind? 
          Allein  im Nebel tast ich todentlang 
            Und  lass mich willig in das Dunkel treiben. 
            Das  Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben. 
          Der  weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;  
            Und  die es trugen, mögen mir vergeben. 
            Bedenkt,  den eignen Tod , den stirbt man nur, 
            Doch  mit dem Tod der andern muss man leben. 
            (Mascha  Kaleko- aus : Verse für Zeitgenossen) 
          ….       muss man leben --- bitte aushalten  .. muss man leben. 
            Auch  das Leben derer, die geblieben sind, ist ein Geschenk. 
            Nutzt  das Geschenk Eures Lebens für die Arbeit in der Trauer und für die Arbeit im  Glauben – oder wie es Jesus in der Bergpredigt formuliert: 
          „Trachtet  zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit“ 
          Und  in diesem Reich Gottes soll - nahezu unvorstellbar – alles anders sein als beim  irdischen Leben – keine Krankheit, keine Tränen, kein Streit. 
            Aber  wir sind noch nicht im Paradies und das Leben ist kein Wunschkonzert. 
          Und der  Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Seele! |