„Wir sind Bettler, das ist wahr!“ (Martin Luther) – Röm. 3,28
Predigt am 19.02.2017

 
 

Liebe Gemeinde !

  1. Das Gewicht der letzten Worte
  2. Die letzten Worte – am Ende eines aufregenden Lebens
  3. Allein aus Gnade

1. Das Gewicht der letzten Worte

Friedlich ist er eingeschlafen – und dies waren seine letzten Worte.
Genau hören liebende und pflegende Angehörige auf die letzten Worte des Menschen, der geht, der für immer geht.
Diese letzten Worte haben ein besonderes Gewicht, fast gelten sie wie ein Testament, wie eine Lebensbilanz, komprimiert in einen oder wenigen Sätzen.

„Das ist das Ende. Für mich der Anfang eines neuen Lebens“ soll Dietrich Bonhoeffer gesagt haben, als er am Palmsonntag 1945 im Schulhaus in Schönberg abgeholt wurde.

„Auch du, mein Sohn Brutus“ sollen die letzten Worte des römischen Herrschers Cäsar gewesen sein, kurz bevor er erdolcht wurde.

„Der Glaube wächst und die Liebe“ sagt mir ein Gemeindeglied, das sehenden Auges die letzten Tage seines Lebens angeht.

Und Martin Luther? Auf seinem Schreibtisch fand man einen letzten Satz, kurz vor seinem Tod geschrieben: „Wir sind Bettler, das ist wahr.“
Dieser lutherische Schlusssatz ist wie ein theologisches Vermächtnis des ungewollten Reformators der christlichen Kirche.
Wir haben Gott nichts vorzuweisen; wir haben keine Vorleistung erbracht, die uns dazu berechtigt, Gott gegenüber Ansprüche zu stellen.
Wir können nur, bettlergleich, dankend und dankbar empfangen, was Gott uns zukommen lässt.
Ein demütiges und demütigendes Bild am Ende eines leistungsstarken und Gott suchenden Lebens eines außergewöhnlichen Menschen.

2. Die letzten Worte – am Ende eines aufregenden Lebens 

Martin Luther wird zum Bettler – er, der stolze, mutige, mitunter dickköpfige und hitzköpfige fromme Mann, kommt nicht nur zu der Einsicht, dass das letzten Hemd keine Taschen hat, sondern auch zu der reformatorischen Erkenntnis, dass der Mensch in seiner letzten Stunde und danach ganz und gar auf die Gnade Gottes angewiesen ist.

„Wir sind Bettler, das ist wahr!“ seine letzten Worte am Ende eines aufregenden Lebens.
Nur eine Hand voll kurzer Blitzlichter sollen auf aufregende Stationen seines Lebens geworfen werden:

2.1. Stotternheim Blitzschlag- Juli 1505
Martin Luther reiste wenige Wochen nach Beginn des Jurastudiums nach Mansfeld zu seinen Eltern. Auf dem Rückweg, so will es die Legende, wurde er am 2. Juli 1505 von einem schweren Gewitter beim Dorf Stotternheim in der Nähe von Erfurt überrascht.  Auf dem freien Feld suchte er unter einem Baum Schutz, als ihn plötzlich ein Blitzschlag sich zu Boden werfen ließ. In Todesangst rief er die Heilige Anna an und gelobte: „Ich will Mönch werden!“. Zwei Wochen später trat Martin Luther am 17. Juli 1505 in das Augustinerkloster ein, der strengsten Mönchsgemeinschaft von Erfurt. Weder Freunde noch sein Vater konnten ihn umstimmen. „Später erzählte er die Geschichte so, als hätte ihn der Himmel selbst überrumpelt“, schreibt Buchautor Christian Feldmann in „Martin Luther“.

 2.3 Der "Thesenanschlag" am 31. Oktober 1517

Teesiovi WittenbergissäSchon vor dem 31.10.1517 hatte Luther sich in Predigten gegen den Ablasshandel ausgesprochen. An diesem Tage aber schreibt er, nachdem er eine Instruktionsschrift für Ablasshändler gelesen hat, an seine kirchlichen Vorgesetzten. Er hofft, damit den Missstand beheben zu können. Den Briefen legt er 95 Thesen bei, die als Grundlage für eine Disputation zu diesem Thema dienen sollten.
Dass Luther an besagtem Tag seine Thesen mit lauten Hammerschlägen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt haben soll, ist historisch nicht gesichert.
Es ist der Tag vor Allerheiligen, wo besonders viele Menschen in die Kirche gehen und somit Kenntnis von den Thesen nehmen.

2.3 Der Reichstag zu Worms im Jahre 1521

Luther, bereits durch den Kirchenbann quasi zum Ketzer erklärt, wird vom Kaiser auf Druck einiger Fürsten nach Worms geladen. Dort soll Luther nach dem Willen der Kirche und auch des Kaisers seine Lehren widerrufen. Die Fürsten, die Luther unterstützen, hoffen durch die bevorstehenden Ereignisse, die politische Macht Roms in Deutschland zu schwächen.
Auch fordert Luthers Landesfürst, der mächtige Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, dass Luther nicht ohne Anhörung geächtet und verhaftet wird.
Luther begibt sich am 2. April 1521 auf die Reise nach Worms. Schon die Anreise zum Reichstag jedoch wird nicht zu dem von der Kirche erhofften Buß-Gang. Die Fahrt nach Worms gleicht eher einer Triumphfahrt, aller Orten wird Luther mit Begeisterung empfangen.
Und auch in Worms, wohin er am 16. April gelangt, wird er vom Volk umjubelt empfangen.
Luther Wormsin valtiopäivilläLuthers Auftreten auf dem Reichstag wird als sachlich, klug und überlegt beschrieben. Er muss zweimal vor dem Kaiser erscheinen, jedes Mal wird ihm deutlichst nahegelegt, seine Lehren zurückzunehmen, Luther jedoch sieht keinen Beweis gegen seine Thesen und Ansichten, der ihn bewegen könnte, seine Thesen zu widerrufen: "wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, dass sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der Heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!"
Hier soll Luther auch die berühmten Worte "Hier stehe ich und kann nicht anders!" gesagt haben

2.4 Die Heirat mit Katharina von Bora – Juni 1525

Für Luther war die Frage, ob er heiraten sollte, weit wichtiger als wen. Zweck der Ehe, hier stand Luther durchaus im Banne der Tradition, war Kinderzeugung und -aufzucht, die Bändigung des als dämonisch verstanden Sexualtriebes, aber auch die gegenseitige Unterstützung und Hilfe der Ehepartner auf 

Katharina von BoraMartin Luther

Lebenszeit. Katharina tat offensichtlich den ersten Schritt hin auf den Ehebund mit Luther. Am Abend des 13. Juni 1525 lud Luther die engsten Wittenberger Freunde in das Schwarze Kloster ein, wo Johannes Bugenhagen die Trauung hielt. 14 Tage später, wieder an einem glückverheißenden Dienstag für Eheschließungen, lud Luther Freunde und Verwandte zur sogenannten Wirtschaft, dem Kirchgang mit anschließendem Festmahl, ein.
Luthers Eltern waren eingeladen, da die Hochzeit auch der Aussöhnung mit dem Vater dienen sollte.
Katharina führt fortan den Haushalt, vor allem die Haushaltskasse, mit der Doktor Luther, wie berichtet wird, gar nicht umgehen konnte. Sie erweist sich außerdem als gute Hausfrau und Gärtnerin.
In Luthers Haushalt leben nicht nur seine Frau und später seine sechs Kinder, sondern auch eine Verwandte Katharinas und seit 1529 die sechs Kinder von Luthers Schwester. Außerdem beherbergt Luther Studenten in seinem Hause, um die Haushaltskasse aufzubessern.

2.5 Die letzten Worte– Febr. 1546

Keisari Kaarle V Lutherin haudalla Der von Krankheiten gezeichnete Luther bricht am 17.01.1546 zur letzten Reise seines Lebens in seine Geburtsstadt Eisleben auf, um dort Streitigkeiten in der Mansfelder Grafenfamilie zu schlichten. Die Verhandlungen enden erfolgreich.
Luther hat aber nicht mehr die Kraft nach Wittenberg zurückzukehren. Er stirbt am 18. Februar 1546 in Eisleben. Auf dem Sterbebett betet er: "In Deine Hände befehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, Herr, Du treuer Gott." Auf seinem Schreibtisch fand man einen letzten Satz, kurz vor seinem Tod geschrieben:
„Wir sind Bettler, das ist wahr.“Lutherin kuolinmaski

Nachdem der Sarg zwei Tage in Eisleben aufgebahrt wurde, wird er nach Wittenberg überführt.
Am 22. Februar wird Luther in der Schlosskirche zu Wittenberg beigesetzt, die Grabrede hält Johannes Bugenhagen.

3. Allein aus Gnade

Sola gratia“ allein aus Gnade kommt der Mensch durch das versöhnungsgeschehen von Jesus christus in das Reich Gottes.
Martin Luther kritisiert mit dem »allein aus Gnade«, was er in seiner Zeit als »Werkgerechtigkeit« wahrnahm, also jeden Versuch von Menschen, durch ihr eigenes Tun Anerkennung von Gott zu erwirken. Wenn der Mensch allein aus Gnade gerechtfertigt wird, dann können seine Werke keine, auch nicht die geringste Rolle spielen. »Ist’s aber aus Gnaden, so ist’s nicht aus Verdienst der Werke; sonst würde Gnade nicht Gnade sein« (Römer 11,6). Mit diesem weitreichenden Gnadenkonzept grenzt Martin Luther sich vom mittelalterlichen Verständnis der Gnade als nur einer Stufe im Prozess der Rechtfertigung ab.
Auch die lutherische Kritik an der damaligen Ablasspraxis ist eine Konsequenz aus dem »sola gratia«. Die Kirche lehrte in dieser Zeit, dass man durch das Sakrament der Buße und die Bitte um Vergebung der Sünden zwar der Hölle, entgehe. Doch müsse man weiter die von Gott aufgrund der Sünde verhängten zeitlichen Sündenstrafen wie Krankheit oder Fegefeuer erdulden. Nur durch das Ertragen dieser Strafen werde der Gerechtigkeit Gottes Genüge getan. Verrichtet der Gläubige jedoch die ihm vom Priester bei der Beichte auferlegten religiösen Werke, dann kann er die zeitlichen Sündenstrafen minimieren. Auf genau diese zeitlichen Sündenstrafen richtete sich das damalige Ablasswesen. Es enthielt das kirchliche Versprechen, wer Buße tue und dann einen Ablass kaufe, dem würden die zeitlichen Sündenstrafen erlassen. Dagegen argumentiert Luther: Gottes Gnade reicht, Gott vergibt dem Menschen, der Mensch wird nicht mehr bestraft.
Der Mensch ist bittend, betend und bettelnd vor Gott und kann Gott gegenüber keine Ansprüche geltend machen, so wie der Bettler demütig bittet.
Martin Luther wird zum Bettler – er, der stolze, mutige, mitunter dickköpfige und hitzköpfige fromme Mann, kommt nicht nur zu der Einsicht, dass das letzten Hemd keine Taschen hat, sondern auch zu der reformatorischen Erkenntnis, dass der Mensch in seiner letzten Stunde und danach ganz und gar auf die Gnade Gottes angewiesen ist.
In Gottes Namen – Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne.

Thomas Plesch am 14.02.2017