1.Der erste Mord der Menschheit – urgeschichtlich
Liebe Gemeinde!
In der heutigen Predigtgeschichte geht es um – den ersten Mord. Die Erzählung von Kain und Abel steht im Mittelpunkt. Aber die Erzählung ist nicht nur einfach eine „Kriminalgeschichte“.
Nein, bei den Erzählungen der Urgeschichte sind wir selber gemeint. In der Urgeschichte werfen wir einen Blick in die innersten Regungen des Menschen, in das Urtümliche des Menschen. Die Geschichten halten uns einen Spiegel vor – und wollen damit auch Warnung und Lehre sein.
Ein –Tatort – Titel könnte lauten:
„Frisch aus dem Paradies vertrieben“:
Das erste, was wir vom Menschen außerhalb des Paradieses – jenseits von Eden – erfahren, ist der Brudermord.
Ich lese aus dem 1. Buch Mose, Kapitel 4:
Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe des Herrn. Danach gebar sie Abel, seinen Bruder.
Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.
Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem Herrn Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick. Da sprach der Herr zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen;
du aber herrsche über sie. Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.
Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel?
Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?
Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.
Kain aber sprach zu dem Herrn: Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte. Siehe, du treibst mich heute vom Acker, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, dass mich totschlägt, wer mich findet.
Aber der Herr sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der Herr machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände. So ging Kain hinweg von dem Angesicht des Herrn.
2.Streit unter Brüdern
Wahrscheinlich kennen Sie diese Bilder: Da sind die beiden Brüder Kain und Abel, sie opfern gerade.
Und die scheinbare Ungerechtigkeit nimmt ihren Lauf:
Bei Abel steigt der Rauch kerzengerade zum Himmel empor;
bei Kain sinkt er zum Boden hin. Finster schaut Kain hinüber zu seinem Bruder Abel. Auf der einen Seite ist der gute Abel – auf der anderen Seite der dunkle, düstere Kain. Schwarz und weiß, gesegnet und verflucht, Leben und Tod.
Aber so einfach ist es nicht. Beide opfern Gott. Beide sind fromm, und beide suchen die gnädige Zuwendung Gottes.
Und gerade daran entzündet sich der tödliche Streit.
Unterschiedliche Lebensgestaltung prägte schon vorher ihr Leben: Abel der Viehzüchter einerseits, Kain der Ackerbauer andererseits. Wir erfahren nichts über gelungenes oder gescheitertes Leben, über segensreichen Ertrag einerseits und Verlust auf der anderen Seite.
Beunruhigend ist, dass der Mord im Gottes-Dienst seinen Ausgang nimmt. Im Buhlen um die Liebe und Zuneigung Gottes.
Oft freilich ist der unterschiedliche Glaube nur vorgeschoben, und es geht um Macht, Einfluss und Geld.
Und das trifft auch heute noch zu – Stichwort IS oder Selbstmordattentate – ganze Bündel liegen hinter einer scheinbar religiösen Entscheidung.
3.Mord ist Mord
Jesus lässt uns keinen großen Spielraum in der Interpretation von Mord. Die Schwelle zum Mord ist seiner Meinung nach recht schnell übertreten, wie er in der Bergpredigt sagt:
Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist „Du sollst nicht töten“; wer aber tötet, ist des Gerichts schuldig.
Ich aber sage euch: Wer seinem Bruder zürnt, ist des Gerichts schuldig. Darum: Wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dir fällt ein, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe und versöhne dich zunächst mit deinem Bruder.
Und wieder Versöhnung , die Notwendigkeit zur Versöhnung wie wir es Sonntag für Sonntag mit dem Versöhnungsgebet beten.
Jesus hat hier auch die Geschichte von Kain und Abel vor Augen. Das Töten in Gedanken, das Kaltstellen des anderen, der Rufmord, das „Du bist für mich gestorben“, ja schon das Zürnen stellt Jesus mit Mord auf eine Stufe.
Diese Geschichte aus der Urgeschichte ist und bleibt auch unsere Geschichte. Sie ist uns Warnung und Lehre zu einem wachsamen Leben.
Und doch : Ist Kain nicht sogar zu verstehen – in seinem Ärger und Zorn?
Wie kommt es zu der unterschiedlichen Behandlung der Brüder durch Gott? Warum wendet Gott dem einen seine Gunst zu und verweigert sie dem anderen? Natürlich können wir Gott nicht zur Rechenschaft ziehen. Gott braucht keine Rechtfertigung.
Andererseits suchen wir eine Antwort, wenn uns Unrecht widerfährt.
4.Opfer von Herzen – Gott schaut in die Herzen
So schauen wir noch einmal in die Erzählung. In den Versen 3– 5 heißt es:
Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem Herrn Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.
Von Kain wird lapidar berichtet, dass er opfert. Bei Abel sieht es anders aus: Er bringt die Erstlinge und die Fettstücke.
Abel opfert gerne und gut - die erlesenen Stücke, die Köstlichkeiten.
Kain bringt Gott das Erstbeste, Abel das Erste und Beste zum Opfer.
Das ist ein Unterschied in der Haltung der beiden zu Gott.
Der eine erfüllt religiöse Pflichten, der andere wählt mit Bedacht das Besondere als Gabe. Opfer ist nicht gleich Opfer. Gott sieht nicht allein das Äußere, sondern er sieht auch ins Herz.
Und das eine Opfer sieht Gott gnädig an und das andere Opfer sieht er nicht gnädig an.
Person und Gabe sind Gott wichtig, und sie gehören zusammen. Ist es nur religiöse Pflichterfüllung, mit der ich meine, Gott wohlgefällig zu sein, oder tue ich es gerne, mit Bedacht und Überzeugung – in den Gottesdienst gehen, meine Zeit in der Gemeinde einsetzen, Bibel lesen…
Aber selbst wenn die Haltung des Kain beim Opfern, wenn unsere Gesinnung beim Gebet oder beim Gottesdienstbesuch die richtige wäre – es gibt die Erfahrung, dass Gott uns scheinbar nicht hört, dass er dem einen hilft und der anderen nicht, dass er der einen den Glauben schenkt und der anderen nicht. Das Leben ist ungerecht – und manchmal erscheint uns auch Gottes Zuwendung als ungerecht.
Der eine scheint gesegnet über die Maßen zu sein und der andere bekommt einen Rucksack nach dem anderen aufgesetzt.
5.Soll ich meines Bruders Hüter sein?
Als es geschehen ist und Abel in seinem Blut daliegt, spricht Gott Kain wieder an. Mit der Frage nach dem Bruder gibt er ihm Gelegenheit, seine Schuld auszusprechen.
Ganz ähnlich wie Gott in der Urgeschichte den Adam anspricht: Adam, wo bist du?
Adam warum versteckst du dich?
Kain, wo ist dein Bruder?
Gott gibt seinen Menschenkindern die Chance, auf ihre Schuldgeschichte hin eine Antwort zu finden.
Gott sucht die Antwort des Menschen, er fragt nach der Verantwortung des Menschen.
Aber Kain antwortet mit einem höhnischen Wortspiel: „Sollte ich den Hirten hüten? „ Soll ich meines Bruder Hüter sein?
Damit verweigert er die Verantwortung für seine Mitmenschen. Wie im Gleichnis vom barmherzigen Samariter: Auch Priester und Levit verweigern die Verantwortung für den Nächsten.
Gott führt Kain die Folgen seiner Schuld vor Augen. Er wird ein Gejagter, ein vor Gott und Menschen Fliehender, seine Ruhe wird er nicht finden.
6. Das Kainsmal
Gott wendet sich Kain noch ein weiteres Mal zu.
Er schützt den Mörder vor der Rache der Menschen. Er macht deutlich, dass auch der Sünder sein Eigentum ist. Das Kainsmal ist Schutzzeichen. Gott schickt Kain hinaus und bleibt doch bei ihm.
Mit der Schuld bei Gott bleiben. Das ist allemal besser, als der Rache und dem Hass dieser Welt ausgeliefert zu sein.
Thomas Plesch am 25.08. 2018
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