Predigt am 25.06.2011
Auf Spurensuche des Glaubens im Heiligen Land

 
 
 

Liebe Gemeinde !

Für elf Tage, vom Pfingstsamstag bis zum 21. Juni waren 43 Personen zusammen mit unserem „Pilgerreiseführer“ Johannes Zang in Israel und Palästina.
Dabei wollten wir sowohl das Land und die Landschaft kennen lernen, in denen der Zimmermannssohn Jesus von Nazareth gewirkt hat und zum menschgewordenen Wort Gottes wurde; wir wollten aber auch mit den Leuten in Kontakt kommen, die heute in diesem unheilig „Heiligen Land“ leben und die Konflikte zwischen den israelischen Juden und den arabischen Palästinensern wenigstens ansatzweise erspüren.

Von einigen geist- reichen, be- geist- erten Begegnungen will ich nun genau so berichten wie
kritisch manchen „heiligen Ort“ beleuchten.

Begegnung Nr.1         Pfingstgottesdienst in Tabgha                       SONNTAG

Nachdem wir am Samstag abend gut im Kibbuz Nof Ginosar am See Genezareth angekommen sind und hervorragend zu Abend gegessen haben, stand für den kommenden Sonntag, den Pfingstsonntag, ein Gottesdienstbesuch bei den Benediktinern in Tabgha an.
In Tabgha steht die Brotvermehrungskirche (Bibelstelle) und an manchen Tagen kommen bis zu 5.000 Pilger, um die Kirche zu besichtigen. Um selber zur Ruhe zu kommen, haben sich die dort ansässigen Benediktinermönche entschlossen, am Sonntag die Pforten nur zu öffnen, um zum Gottesdienst einzuladen.
Und so fahren wir um 08.45  als einziger Reisebus vor.
Der katholische Gottesdienst beginnt um 09.00 Uhr.
Ein kath. Geistlicher befragt kurz vor dem Gottesdienst die knapp 70 Anwesenden, wer bereit ist, Lesungen und Fürbitten zu übernehmen.
Der Gottesdienst findet im Freien statt, ca. 100 m entfernt von den Ufern des Sees Genezareth mit herrlichem Blick auf die den See umschließende Gebirgskette. Es weht ein zarter Windhauch, schließlich ist es Pfingsten.
Allein der äußere Rahmen ist erstaunlich: Den Altar bildet ein großer Felsbrocken, eingerahmt von zwei starken Bäumen. Über dem Altar ist ein schattenspendendes Netz aufgezogen. Die Sitzbänke sind am Boden liegende, abgehobelte Baumstämme. Auch hier sind Netze darüber gespannt, um Schatten bieten zu können.
Es ist einfach, natürlich und schön.
Der Gottesdienst wird als Abendmahlsgottesdienst gefeiert und Pater Jeremias hat zugesagt, dass jeder, der getauft ist, am Abendmahl in beiderlei Gestalt teilnehmen kann.
Eine Flasche Wein lehnt am Baum im Schatten und auch für die Hostien gibt es kein Tabernakel.
Wir singen vertraute Lieder aus dem Gotteslob, beten gemeinsam bekannte Psalmen und spüren, dass der Geist Gottes in diesem Gottesdienst sehr viel mehr Verbindendes als Trennendes zwischen den Konfessionen befördert.
Der Zielpunkt der Ökumene, selbstverständliches, unverkrampftes, geschwisterliches Miteinander im Gottesdienst feiern und beim Abendmahl Teilen – hier am See Genezareth, am Pfingstfest, hier wird es in der freien Natur zur spürbaren Wirklichkeit.
Der Wind weht – wir lassen uns anblasen – und beseelt von diesem geist-reichen Pfingstgottesdienst begeben wir uns begeistert auf die Spurensuche des Glaubens im Heiligen Land.
Bei der Rückmeldung am letzten Abend über all die reichen Begegnungen, Erfahrungen und Erlebnisse in den elf Tagen wird dieser Gottesdienst auf Platz 1 gewählt.

Begegnung Nr. 2:       Die Tauferinnerung am Jordan          MONTAG

Nördlich des Sees Genezareth liegt das Huletal, in dem der Fluss Jordan entspringt.
Eineinhalb Stunden wandern wir entlang an bezaubernden Wasserfällen und einer alter Getreidemühle dem Flussverlauf aufwärts. Nun sind wir an den Quellen des Jordans.
Nicht nur die jung gebliebenen Omas, die kleine bald zu taufende Enkelkinder in Deutschland haben, füllen sich leere Wasserflaschen mit original Jordanwasser auf.
Hier, in diesem Fluss, mit diesem Wasser ist auch Jesus vom Johannes dem Täufer getauft worden. Hier, in diesem Fluss, mit diesem Wasser hat auch Jesus selber getauft.
Die Taufe, das Sakrament, durch das wir in die große Familie Gottes aufgenommen werden;
die Taufe, die Zeichenhandlung, die deutlich macht, dass Gott uns seine Freundschaft, seine Verbindung, seinen Bund anbietet.
Angeregt von einem äußeren und einem inneren Impuls gebe ich einige vertiefende Erklärungen zum Verständnis der Taufe. Nun biete ich an, dass – wer möchte – sich an seine eigene Taufe erinnern kann.
Und so kommen viele unserer Reiseteilnehmer, gehen auf die Knie, erinnern sich an ihre eigene Taufe, spüren das kalte, erfrischende Jordanwasser über ihren Kopf laufen und können sich verbunden fühlen mit Jesus Christus, der gesagt hat: „ Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“

Begegnung Nr. 3        Berg der Seligpreisungen                  DIENSTAG

In aller Frühe fahren wir zum Berg der Seligpreisungen – hat hier Jesus seine eindrucksvolle Predigt gehalten? Ein wunderbarer Blick über den See von Genezareth und die Landschaft von Galiläa lassen einem das Herz aufgehen.
Hier am Berg der Seligpreisungen steht eine große, architektonische gelungene Kirche und in den Gartenanlagen sind Nischen eingearbeitet, in denen Gottesdienste gefeiert werden können.
Hier am Berg der Seligpreisungen haben wir den einzigen Gottesdienst neben den beiden Sonntagsgottesdiensten vorgesehen. Bei den Schwestern in der Sakristei muss sich der verantwortliche Pfarrer in ein großes Buch eintragen – Herkunftsort, Zahl der anwesenden Pfarrer, Zahl der teilnehmenden Gottesdienstbesucher – und dann bekommt er eine, ihm passende Albe mit Stola ausgehändigt.
Auch hier erlebe ich katholische Kirche offen, gastfreundlich, ohne Ängste, im besten Sinne des Wortes katholisch – allumfassend, für die Verkündigung der christlichen Botschaft in sehr guter Weise federführend verantwortlich.
Selbstverständlich bekommen wir von den syrischen Schwestern auch Hostien und Wein für die Feier des Hl. Abendmahles.
Ja, und dann feiern wir, singen aus unserem schön gemachten Liederbuch und lesen die Seligpreisungen.
Selig sind, die geistlich arm sind; denn ihnen gehört das Himmelreich. (TP)
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. (PA)
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. (SoS)
Die Predigt wird zu einer Mit-teil-predigt.
Jeweils ein Mitglied aus unserer Gruppe liest eine Seligpreisung vor und teilt den anderen mit, welche Bedeutung dieser Vers für ihn hat.
Ich spüre ein großes Vertrauen, eine bewundernswerte Offenheit und eine spirituelle Mündigkeit in unserer Gruppe.
Der Gottesdienst am  Berg der Seligpreisungen ist der Anfang eines erlebnisreichen und kilometerreichen Tages. Abends werden wir wegen einer Überbuchung nicht im Kibbuz übernachten, sondern in der ältesten Stadt der Welt, in Jericho; und dort beziehen wir das feinste Hotel, das ***** Hotel INTERCONTINENTAL – natürlich reizvoll und spannend; Wann kommt man sonst schon in ein ***** Hotel? – und doch: es will nicht recht passen, dieses große schicke Hotel und die Botschaft vom Berg der Seligpreisungen „ Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt.“
Begegnung Nr. 4        Landesbischof an der redeemer church – DONNERSTAG

Heute haben wir den ersten Tag in Jerusalem absolviert.
Klagemauer mit Bar Mizwa Feier, Besuch des Felsendoms und der El Aksa Moschee, Besuch der Anna Kapelle mit wundervoller Musik; Entlanggehen der Kreuzwegstationen der Via dolorosa; Besichtigung der Grabeskirche, die 14 christlichen Kirchen „gehört“; Eintauchen in den engen Gassen des großen, labyrinthartigen Basars und ein bisschen freie Zeit; Treffpunkt ist um 17.00 die evangelische Erlöserkirche (redeemer church) gleich neben der Grabeskirche.
Weil ein Mitglied unserer Gruppe ein menschliches Bedürfnis hat, begleite ich es in die Probstei der Erlöserkirche, um dort nach einem gewissen Örtchen zu sehen.
Dabei treffe ich dort in der Aula auf unseren Landesbischof Dr. Johannes Friedrich.
Wir begrüßen uns und ich informiere ihn kurz über unsere Gruppe.
Mit Johannes Friedrich war ich das erste Mal im Heiligen Land – März / April 1985.
Unser Landesbischof geht nun aus der Probstei heraus und begrüßt unsere Gruppe per Handschlag. Ob er sich ein Lied wünsche, frage ich ihn.
O ja gerne, antwortet er. Damals, als wir 1985 in Israel waren, hat er am letzten Abend erfahren, dass die EKD ihn, den jungen Studentenpfarrer aus Nürnberg, als neuen Probst nach Jerusalem genau in diese Erlöserkirche entsenden werde.
Und so sind wir Studenten damals mit ihm zur Erlöserkirche gegangen und haben „Lobe den Herren“ gesungen. Dieses Lied singen wir nun, am Ende seiner kirchlichen Laufbahn, wieder, fast an der gleichen Stelle.
Was ich mit dieser Geschichte sagen will?
Dass auch Bischöfe ihre Geschichten haben, Geschichten mit besonderen Liedern und Gebeten, mit besonderen Orten und tiefen Erinnerungen.
Dass Glaubensgeschichte und Lebensgeschichte Hand in Hand sich entwickeln und dass sich manchmal Lebenskreise wunderbar schließen.
Dr. Johannes Friedrich wurde begleitet von einem Fernsehteam des BR, das im Oktober einen Beitrag über den scheidenden Landesbischof zeigen wird. Vielleicht wird man in diesem Film auch „Lobe den Herren hören“.

Begegnung Nr. 5        Geburtskirche – Grotte – Weihnachten – Schwein /russ.      FREITAG

Begegnung Nr. 6        Dahers Weinberg                               FREITAG

Ein intensiver Tag in Betlehem liegt hinter uns – Besuch der Geburtskirche, Lesen der Weihnachtsgeschichte ganz in der räumlichen Nähe  von dem Ort, an dem möglicherweise der Stall und die Krippe gestanden haben.
Besuch einer kleinen Schnitzerwerkstatt mit Blick hinter die Kulissen; Besuch bei den Hirtenfelderern in Betlehem; ein aufwühlendes und bewegendes Gespräch mit Pfr. Dr. Mitri Raheb, einem exzellenten politischem Denker und vordenkendem Pfarrer.
Nun haben wir das Angebot, das friedenspolitische Projekt „Zelt der Völker“ zu besuchen, das in „Dahers Weinberg“ liegt.
Diese Begegnung wird lebendig und erschütternd, ist heiter und macht doch betroffen.
Am Eingang des umzäunten landwirtschaftlichen Gebietes steht ein Felsstein mit folgendem Aufdruck: „Wir weigern uns, Feinde zu sein“ in den Sprachen hebräisch, arabisch, englisch und deutsch.
An keinem anderen Ort haben wir in diesen elf Tagen die Druckmechanismen der jüdischen Siedlungspolitik so deutlich, so persönlich, so hautnah erleben können wie in „Dahers Weinberg“.
Von Schikanen über Schikanen berichtet der Bruder von Daoud Nassar, dem Besitzer, die die Familie bisher hat ertragen müssen. Das fängt bei der Strom – und Wasserversorgung an und geht über unsinnige Vorgaben der israelischen Regierung weiter und endet in unendlichen Rechtstreitigkeiten.
Die Regierung möchte das landwirtschaftliche Grundstück einfach haben und  hat der Familie auch schon einmal einen Blankoscheck angeboten.  Die Antwort der Familie war:
„Wie ich meine Mutter nicht verkaufen kann, so kann ich auch nicht die Erde, die ich von meiner Mutter  anvertraut bekommen habe, verkaufen.“
Ich sehe deutliche Parallelen zur biblischen Geschichte von Naboths Weinberg aus dem 1.Buch der Könige.
Nebenbei erzählt Herr Nassar, dass seine Familie schon über 150.000 € allein an Anwalts und Gerichtskosten habe zahlen müsse – natürlich ein Betrag, der über  die Ernte von Oliven und Weintrauben nicht refinanziert werden kann.
Und wieder spüren wir etwas von der Ungerechtigkeit und dem inneren Unfrieden im Heiligen Land, nur 5 km hinter Betlehem und 15 km neben Jerusalem.
Aber weil dieser kleine Friedensstifter von Dahers Weinberg so fröhlich und lebensbejahend verlassen wir diesen Ort nicht niedergeschlagen, sondern tief bewegt.
In einer der angelegten Höhlen singen wir „Preiset den Herrn Halleluja“ auf arabisch mit Aufstehen und Hinsetzen – und ich denke an viele fröhliche Ostergottesdienste in unserer Gemeinde